Rainer
Dorwarth
1924 - 2015
Dokumentation : Texte : Lechleiter : Tolksdorf : Brügel
Stefan Tolksdorf: Innere Jugend

Unermüdliche Experimentierfreude: Rainer Dorwarths Werkschau im Freiburger Morat-Institut

In Kirchen, Schulen, Museen und Einsegnungshallen hat er seine glaskünstlerischen Spuren hinterlassen und auch sein malerisches Werk kann seine Inspiration durch das farbige Licht nicht verleugnen: Durchstrahlte Prismen, luzide Architekturen, amorphe Räume, mosaikhaft leuchtende Strukturen.
Rainer Dorwarth ist in der Freiburger Kunstszene ein Mann der ersten Nachkriegsstunde. Hier hat der Westfale an der Akademie bei Rudolf Dischinger und Adolf Strübe studiert, an der Pariser Akademie André Lhote erhielt seine Vorliebe für die gegenstandsfreie Kunst letzte Kontur. Mehr als ein halbes Jahrhundert hat der Maler ein Werk von erstaunlichem Umfang geschaffen, das nun zum 80. Geburtstag vom Freiburger Morat-Institut gewürdigt wird.
Bleibt Dorwarths Verwurzelung im Informel der 50er-Jahre bis heute spürbar, verblüffen doch seine große technische Spannbreite und die unermüdliche Experimentierfreude eines Künstlers, den es, neben seinen Kunst-am-Bau-Vorhaben, immer wieder zu neuen Ufern trieb. In den späten 70er-Jahren etwa wechselte er vom abstrakten Ornament zu feinen Pinsel- und Federzeichnungen, die Stilleben, surreale Landschaften und Muschelwesen zeigen - eine plötzliche Wendung zum Dinglichen, die sich schon bald wieder verliert.
Traumentrückt und seltsam unentschieden muten die freskenhaften Gemälde des Übergangs an, auf denen Stilleben-Zitate im strukturierten Farbraum schweben. Doch wichen diese Zwitter bald wieder abstrakten, nun gleichmäßig durchlichteten Strukturen. Technoides ist Dorwarths Werk fremd, seine Gestaltungen sprechen durchweg von großer Naturnähe. Schneekristalle und Gletscherspalten, Rinden, Drusen, Mineralien mögen in den Sinn kommen, bis man erkennt, dass es dem Maler um eine andere, rein künstlerische Wirklichkeit geht: Das Bild als Mittel und Ort andauernder Selbstverwunderung. Letztlich inszeniert Dorwarth das vitale Wechselspiel von Farbe und Textur, das Verhältnis von Struktur und Form. Ebenso aber wohl ist es ihm um den Eindruck von Harmonie zu tun: Seine mosaikhaften Formen und kristallinen Geflechte sind meist zentriert, die gemischten Farben durchweg ausgewogen. Kraftvolle Setzungen finden sich in den Holzschnitten, wo Dorwarth seine kristallinen Gebilde in flächig schwarze Großformate überträgt. Ein Künstler, der sich über alle Zäsuren und formalen Experimente überraschend treu geblieben ist.
Sollte man es innere Jugend nennen? Eindrucksvoller als im Morat-Institut hat sich Dorwarths Werk in Freiburg jedenfalls noch nie präsentiert.

Badische Zeitung, 18.8.2004

Werke aus 50 Jahren

Rainer Dorwarth zeigt Holzschnitte im Gundelfinger Rathaus

In diesem Jahr wird der Freiburger Künstler Rainer Dorwarth 80 Jahre alt. Das Morat-Institut Freiburg wird im Herbst sein malerisches Werk in einer Retrospektive vorstellen. In der ersten Kunstausstellung des Jahres zeigt der Kunstverein Gundelfingen im Foyer des Rathauses eine Auswahl von Dorwarths Holzschnitten aus 50 Jahren und kleine bunte Miniaturen in Öl, Arbeiten der jüngsten zehn Jahre.
Bereits vor zehn Jahren stellte Rainer Dorwarth in Gundelfingen aus. Viele Besucher kamen wieder zur Vernissage, und Bürgermeister Reinhart Bentler und der Vorsitzende des Kunstvereins, Berhard Dechant, freuten sich über Dorwarths Kommen. In Gundelfingen liegt der Schwerpunkt der Ausstellung in der Präsentation meisterhafter Holzschnitte, meist großflächiger Probedrucke, die ohne Druckpresse mit dem Löffel abgezogen wurden. Rainer Dorwarth zeigt abstrakte Kompositionen, ausdrucksstarke Frauen-, Männer- und Kinderporträts, Akte in natürlicher Umgebung. Weiße, schraffierte, gebogene, gerade Linien treffen aufeinander, streben auseinander. Weiße Spinngewebe durchziehen schwarze Flächen, weiß-schwarz, graue Flächen spielen um ein Zentrum, auch einige kleine bunte Holzschnitte sind zu sehen.
„Bei Rainer Dorwarth fällt auf, dass er auch hier einen versöhnlichen Ausgleich zwischen den Extremen Weiß und Schwarz sucht. Feine Richtungsschraffuren oder gewebeartige Flächenformen evozieren unterschiedliche Grauwerte, verbinden manchmal die eindeutigen Gewichte oder bewirken den Anschein einer transparenten Schichtung der Flächen”, so Wilfried Klausmann in seiner Einführung. Seit zehn Jahren malt Rainer Dorwarth kleine abstrakte Miniaturen in Öl. Intensive Farben werden erdig und neutral eingebunden, harmonische Farbspiele berühren den Betrachter. In der Vitrine liegen Fotografien des Taufkappellenfensters (1962) und des Betonfensters (1988) in Gundelfingens Bruder-Klaus-Kirche. In seiner Einführung zeichnet Wilfried Klausmann ein außerordentlich warmes, einfühlsames lebendiges Bild des Künstlers.
Dorwarth wurde 1924 in Westfalen geboren, nach dem Krieg begann er 1949 mit dem Kunststudium in Freiburg bei Professor Adolf Strübe, seit 1954 arbeitet er als freier Maler. Zur musikalischen Umrahmung der Vernissage spielte Menno Koller moderne Kompositionen für Blockflöte von Agnes Dorwarth, der Tochter des Künstlers, Professorin an der Musikhochschule Freiburg.
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